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Kick Off Kirkuk | Film Dienst

Im Irak, vor allem aber im Gebiet der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Landes, hat sich, allen politischen Widrigkeiten zum Trotz, in den letzten Jahren eine kleine, international beachtete Filmszene entwickelt. Die Regierung der kurdisch dominierten Autonomiezone stellt Gelder für Filmproduktionen zur Verfügung, was zur Entwicklung eines kurdischen Kinos beigetragen hat. Shawkat Amin Korki, der 1973 im Irak geboren wurde und als Zweijähriger in den Iran kam, wo er bis 1999 blieb und Regie studierte, gehört zu den Regisseuren, deren kurdische Perspektive stark vom Einfluss des iranischen Kinos und des europäischen Autorenfilms geprägt ist. „Kick Off Kirkuk“, sein zweiter Langspielfilm, zeichnet den dramatischen Status quo in Kirkuk mit quasidokumentarischem Understatement nach.

Das Zusammenleben in der 800000-Einwohner-Stadt, um die Kurden wie Sunniten vor allem wegen ihrer Erdölvorkommen streiten, wird von ethnischen Konflikten zwischen Kurden, Arabern und Turkmenen dominiert, die im Film vereinfachend als „Türken“ bezeichnet werden. Korki und sein Team haben die angespannte Situation selbst zu spüren bekommen, als sie von Terroristen bedroht wurden. Während der Dreharbeiten kam es zu Attentaten auf dem Markt, bei denen auch der Produktionsassistent verletzt wurde; ein Hauptdarsteller zog sich zurück, weil er nicht nach Kirkuk gehen wollte. Umstände, die im Drehbuch Berücksichtigung fanden.

Der Film beschreibt einen Mikrokosmos: Er spielt in einem aufgelassenen Fußballstadion, in dem seit Kriegsende 300 Familien unterschiedlicher Herkunft Zuflucht gefunden haben. Unter ihnen befindet sich der junge Diyar, der ein Bein durch eine Landmine verloren hat, und sein energiegeladener älterer Bruder Aso, der zwischen den verlassenen Tribünen und Überbleibseln gestrandeter Lastwagen ein Turnier zwischen Arabern, Kurden und Türken veranstalten will. Irgendwann schafft er das auch, doch die Stimmung ist, Freundschaftsspiel hin oder her, von Anfang an durch Rangeleien zwischen den Ethnien geprägt.

Immer wieder hört man die Explosionen außerhalb des Stadionrohbaus; Hubschrauber kreisen hektisch über der friedlosen Stadt. Die verarmte, staubige Routine im Stadion wirkt fast wie eine Ruhezone, wenngleich auch hier bewaffnete Kolonnen mit schweren Fahrzeugen einfahren, um den Bewohnern anzukündigen, dass man sie nun endgültig vertreiben werde. Doch die antworten mit der entwaffnenden Gelassenheit derer, die nichts zu verlieren haben. Der Film ist voller Anspielungen auf das bedrohliche Walten von Politik und dem politisch-ethnisch motivierten tödlichen Kräftemessen außerhalb des Stadions. Vieles ist improvisiert, entwickelt seinen Charme aber aus einer spontanen Hand-in-den-Mund-Dramaturgie, die allerdings kaum Spielraum für eine tiefere Entfaltung der Charaktere lässt. Damit hält Korki die Zuschauer emotional auf Distanz zu seinen Hauptdarstellern. Er stellt das kollektive Miteinander in den Vordergrund, beschreibt den Alltag seiner Geschichte als Ensemblefilm mit einem Gespür für Schwerelosigkeit, auch wenn am Ende – ganz real – Leid und Mitleidlosigkeit gewinnen. Beachtenswert ist die Bildgestaltung, deren zurückhaltende Schwarz-Weiß-Fotografie die harten Licht-Schatten-Kontraste des unwirtlich staubigen Drehortes kunstvoll herausarbeitet und, aller Trostlosigkeit zum Trotz, ein stoisches Prinzip Hoffnung durchsetzt. Eine kleine neorealistische Reverenz aus dem Nordirak.

Quelle:http://film-dienst.kim-info.de/kritiken.php?nr=11149

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