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Zum Tod von Christopher Hitchens, dem streitbaren Publizisten und Kämpfer gegen den falschen Frieden

Jungle-world.com - von Dustin Dehez - Wann immer Christopher Hitchens bei seinen öffentlichen Auftritten um ein abschließendes Statement gebeten wurde, zog er es vor, auf einer Vorlage des Publikums zu bestehen: »I’d rather be provoked«, wie er zu sagen pflegte. Dabei hat er in seiner langen Laufbahn als Autor und Publizist gezeigt, wie sehr er es genoss, selbst zu provozieren. Mit Leidenschaft zog er gegen Henry Kissinger und Mutter Teresa ins Feld, die nicht von ungefähr zwei der wichtigsten Objekte seiner Kritik waren. Kissinger war der Inbegriff einer Realpolitik ohne Ideale, die Hitchens immer verabscheute, und Mutter Teresa die weltweit angebetete Vertreterin einer Religion, die er, wie alle Religionen, für zutiefst menschenverachtend hielt. Die korrumpierenden Einflüsse jener Realpolitik und der Religionen behandelte er in gleich mehreren Werken, die ohne Zweifel zum Besten gehören, was der englischsprachige Essayismus in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht hat. Mit »The Missionary Position. Mother Teresa in Theory and Practice« hatte er Mitte der neunziger Jahre eine Abrechnung mit einer selbst unter Nichtgläubigen anerkannten Heiligen vorgelegt und damit eine literarische Form wiederbelebt, die kaum noch Anwendung fand: die des Pamphlets. Sie bot ihm die Möglichkeit, auf nur 100 Seiten den Mythos der um die Armen und Mittellosen besorgten Mutter Teresa zu zertrümmern. Dabei hatte er stets ein Talent zur Zuspitzung und intelligenten Pointe. Etwa diese: Mutter Teresa liebte nicht etwa die Armen, sondern die Armut.

Mit scharfer Polemik beschrieb Hitchens ihren religiösen Fanatismus, ihre Bereitschaft, Geld von Diktatoren einzusammeln und ihnen dafür ihren Segen zu erteilen und ihren ständigen Kreuzzug gegen die Abtreibung, die sie für die größte Gefahr für den Frieden hielt. Dass ihr dennoch der Friedensnobelpreises zugesprochen wurde, schrieb Hitchens den willfährigen Medien zu. In Mutter Teresa sah er jene Doppelmoral der Religion am Werk, die letztlich allem Religiösen innewohnt. Aber erst mit der 2007 vorgelegten Generalabrechnung mit der Religion, »God is not Great«, auf Deutsch unter dem Titel »Der Herr ist kein Hirte« erschienen, wurde er auch hierzulande bekannt. Gemeinsam mit den Wissenschaftlern Richard Dawkins, Daniel Dennett und Sam Harris – die sich in biblischer Anspielung gelegentlich selbst als die vier Reiter bezeichneten – inspirierte er eine Bewegung für den Atheismus. Während in Deutschland vor allem der Einfluss der Evangelikalen beobachtet wurde, erinnerte sein Werk daran, dass die am schnellsten wachsende Gruppe auch in den Vereinigten Staaten die der Nichtgläubigen ist. Dabei lehnte Hitchens den Begriff des Atheisten stets ab, denn einem Atheisten ist der Glaube anderer meist gleichgültig. Hitch, wie er mit Zuneigung von Freunden genannt wurde, bevorzugte den Begriff des Anti-Theisten, denn er erkannte, dass die Gläubigen seinem Unglauben keineswegs indifferent gegenüberstanden. Ebenso wenig wollte er der Religion gleichgültig gegenüberstehen. Im Sendungsbewusstsein der Religionen erkannte er denn auch die Wurzel von Intoleranz und Totalitarismus.

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